Die Medien sind ein wesentliches Element für die Einschätzung und Analyse eines politischen Systems, dies gilt auch für Südkorea. Beginnend 1893 mit dem Erscheinen der ersten koreanischen Zeitung bis hin zur Demokratiebewegung der 1980er- Jahre war die Entwicklungsgeschichte der (süd)koreanischen Medien stets eng mit den politischen, sozialen und gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes verknüpft. Im Fall von Südkorea handelt es sich um eine sehr junge Demokratie: Abgesehen von zehn Monaten einer politischen Neuorientierung am Ende der Ersten Republik (1960-61) kann das Land auf keine demokratische Vergangenheit zurückblicken.
Die Liberalisierung der südkoreanischen Pressepolitik wurde eingeleitet durch Roh Tae-woos "Acht-Punkte-Erklärung" vom 29. Juni 1987. Zu den epochalen Veränderungen, die der spätere Präsident hier versprach, gehörte neben einer zügigen Verfassungsänderung die Wiederherstellung aller bürgerlichen Rechte und Freiheiten und hier ganz besonders die uneingeschränkte Freiheit der Presse durch die Abschaffung des Grundgesetzes für die Presse (GfP): However good its intention may be, the Basic Press Law, which has been the target of criticism by most journalists, needs a drastic revision or repeal as early as possible […] The autonomy of the press must be guaranteed through the permission to assign their reporters to local areas and by revoking the system of issuing press cards. The press must not be restricted unless it threatens national security. Let's be reminded that an independent judiciary and the people only judge the press.
Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist das südkoreanische Mediensystem seit dem Ende der letzten Militärdiktatur, bzw. dem Beginn des demokratischen Transformationsprozesses im Jahr 1987, bis zum Jahr 2010. Sie basiert auf der Annahme, dass die Konsolidierung einer Demokratie nur gelingen kann, wenn diese über ein demokratisch verfasstes Mediensystem verfügt: Aufgrund der spezifischen Interdependenz von politischem und Mediensystem ist ihre jeweilige Konsolidierung eng verzahnt. Fortschritt oder Rückschritt wirken somit in beide Richtungen und beeinflussen die weitere demokratische Entwicklung sowohl innerhalb der Teilsysteme als auch hinsichtlich des gesamten Transformationsprozesses. Angesichts ihrer empirischen Ergebnisse geht die Autorin davon aus, dass der demokratische Fortschritt in Südkorea stagniert. Um den Konsolidierungsfortschritt sowohl eines politischen Systems, als auch eines Mediensystems angemessen beurteilen zu können, reicht der Blick auf die institutionell-strukturelle Ebene nicht aus. Sie kann lediglich als Ausgangspunkt für eine Analyse dienen, die neben der konstitutionellen und repräsentativen Konsolidierung nach jener im Verhalten der beteiligten Akteure fragt. Auf dieser Grundlage ist es das Ziel dieser Arbeit, den Stand der Konsolidierung des politischen und des Mediensystems in Südkorea aufzuzeigen und beide Prozesse in Beziehung zueinander zu setzen. Im Zuge dessen identifiziert sie Konsolidierungsdefizite insbesondere im Kontext der politischen und journalistischen Kultur, die die vielfältigen Veränderungen seit dem Beginn der Transformation überdauert haben und richtet den Blick über die Institutionen hinaus auf die Akteure beider Systeme, mit einem besonderen Fokus auf die Journalisten. Es wird zu sehen sein, dass die demokratische Entwicklung des südkoreanischen Mediensystems durch eine Vielzahl von Faktoren anhaltend und nachhaltig behindert wird, die einerseits in direktem Zusammenhang mit dem politischen System stehen. Andererseits wird diese Dynamik auch durch systemimmanente Faktoren unterstützt, die die Institutionen und Akteure des Mediensystems umfassen. Die Analyse der spezifischen Verbindungen des politischen und des Mediensystems liefert Erklärungsfaktoren für den Konsolidierungsstillstand in Südkorea.
"Am 19. Dezember 2007 wurde Lee Myung-bak, ehemaliger Oberbürgermeister Seouls und früherer Vorstandsvorsitzender eines Tochterunternehmens von Hyundai, zum neuen Präsidenten der Republik Korea gewählt. Mit einem Stimmenanteil von 48,7 Prozent und einem Vorsprung von über 22 Prozent zum Zweitplatzierten erreichte der Kandidat der konservativen Grand National Party (GNP) den deutlichsten Sieg in der Geschichte demokratischer Wahlen in Südkorea. Der Wahlsieg Lees beendet eine zehn Jahre andauernde linksliberale Ära, die 1997 mit dem damaligen Präsidenten Kim Dae-jung begann. Allerdings sieht sich der neue Präsident Vorwürfen des Finanzbetrugs ausgesetzt, die ein Sonderermittler prüfen soll. Im Falle einer Verurteilung könnte es zu einer Neuwahl kommen. Der Regierungspartei Uridang gelang es bis zuletzt nicht, einen Kandidaten aufzustellen, der in der Lage gewesen wäre, die Konflikte innerhalb des zerstrittenen liberalen Lagers zu überbrücken. Erst im August hatte sich die Uri-Partei aufgelöst. Der Großteil ihrer Mitglieder trat der neu gegründeten United New Democratic Party (UNDP) bei. Weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik der Regierung Roh gilt als Hauptursache für die Niederlage des Regierungslagers. Den Wachstumsraten von jeweils deutlich über vier Prozent in den vergangenen Jahren steht eine gefühlte Krise im Land gegenüber, die der designierte Präsident Lee in den Mittelpunkt seiner Wahlkampfstrategie stellte. Außenpolitisch sind vor allem eine Stärkung der Beziehungen zu den USA, Verbesserungen im Verhältnis zu Japan und eine stärker an Bedingungen geknüpfte Politik gegenüber Nordkorea zu erwarten. Außer einer möglichen Neuwahl im Falle einer Verurteilung Lees finden im April 2008 Parlamentswahlen statt, deren Ausgang die politische Durchsetzbarkeit einer Reihe von Lees Vorhaben bestimmt." (Autorenreferat)